Rebecca Yarros: Fourth Wing – Flammengeküsst
Im weiten Kosmos der Fantasy-Literatur gibt es immer wieder Romane, die zur richtigen Zeit den richtigen Ton treffen. „Fourth Wing“ von Rebecca Yarros ist ein internationaler Bestseller, ein Tiktok-Hype und ein großer Lesespaß. Mit „Iron Flame“ hat sie nachgelegt und es wird noch einen dritten Teil geben. Was macht die Geschichte um Violet Sorrengail so besonders?
„Unwiderstehliches Abenteuer trifft epische Liebesgeschichte“
„Fourth Wing“ entführt uns in die Welt des Basgiath War Colleges. Geprägt von Drachen, Kampftechniken und Magie empfängt uns eine Dark Academy mit Elementen aus den Hunger Games und Hogwarts. Die Autorin rückt mit der Ich-Perspektive ganz nah ran an ihre Hauptfiguren Violet und Xaden, an ihre Gefühle, Pläne, Ängste und Begierden. Am Basgiath War College werden Kadetten für den Krieg ausgebildet. Nur die Besten überleben, es wird viel gestorben. Der Tod geschieht erschreckend beiläufig und ist doch allgegenwärtig. Gleich am Anfang folgen wir der Protagonistin auf ihrer ersten Bewährungsprobe, die sie über einen gähnenden Abgrund führt – hallo Höhenangst! Der kleinste Fehler kann Violet das Leben kosten. Wir erfahren mit Staunen, dass ihre eigene Mutter ihre jüngere Tochter auf diesen Weg geschickt hat, für den sie eigentlich gar nicht vorgesehen war. Ein Tabubruch, denn will eine Mutter nicht das Leben ihres Kindes schützen? Um jeden Preis? Nicht so Violets Mutter, die ihre eigene Agenda hat in dem ganzen Spiel. Es ist noch nicht so lange her, da wäre diese Rolle im Roman mit einem kaltherzigen Vater oder einem bösen Zauberer á là Voldemort und auf jeden Fall männlich besetzt worden. Violets Reise ist nicht nur eine persönliche Entwicklungsreise, sondern auch ein Kampf ums Überleben in einer Welt, in der Macht und Intrigen an der Tagesordnung sind. Dass sie tatsächlich überlebt, ist ein Stück suspension of disbelief, aber ist es nicht genau das, was wir lesen wollen? Sie hat keine Chance, aber sie nutzt sie…
Spice: Die Lust ist immer dabei
Rebecca bedient ihre Zielgruppe mit wohldosiertem Spice. Die in New-Adult-Romanen bewährte Mischung aus Spannung und heißer Romance zeigt uns eine Heldin, die mit großer Selbstverständlichkeit ihre sexuellen Bedürfnisse hat und befriedigt. Wann war das eigentlich, als Frauen noch darauf warteten, dass ihr Loveinterest den ersten move macht?
Die Chemie zwischen Violet und ihrem düster-geheimnisvollen Gegenpart Xaden ist elektrisierend und treibt die Handlung voran. Sie sorgt für die Art von aufgeladener Erotik, ohne die ein Bestseller kaum noch auszukommen scheint. Und sie funktioniert, auch wenn ich mich hinterher gefragt habe, ob das nicht ein bisschen zuviel des Heißen war!? Und Xaden nicht ein bisschen zu sehr der düstere, wortkarge Held mit dem Traumkörper?
Ein Drache ohne seinen Reiter ist eine Tragödie. Ein Reiter ohne seinen Drachen ist tot.
Rebecca Yarros hat eine toll geplottete Geschichte geschrieben, ich bin den Winkelzügen der Handlung gern gefolgt. Gab es logische Brüche? Vielleicht, aber ich habe der Autorin vertraut und sie nicht bemerkt. Oder nicht bemerken wollen? Manchmal ist es schön, meinem Lektorats- und Agentinnenblick eine Pause zu gönnen und einfach nur zu lesen. Mit dem Kindle auf dem Sofa, der Mann bringt Tee und eine Decke…
Die Figuren in Fourth Wing sind vielschichtig und authentisch genug, ihre Entwicklungen glaubwürdig und nachvollziehbar. Es geht um Mut und Freundschaft, Verrat und Selbstfindung. Und es geht um Drachen und magische Kräfte, die manchmal außer Kontrolle geraten. Ich mochte die spröden Persönlichkeiten der Drachen. Sie sind riesig, gefährlich und unbestechlich.
Fazit: Ein herrlicher Schmöker, ich freue mich schon auf den zweiten Teil „Iron Flame“.
Susanne Zeyse
Wenn ihr mehr zum Thema New Adult wissen wollt: Am 5. Juni geben Saskia von Hoegen und Susanne Zeyse den Workshop „New Adult und der Zauber der Ich-Perspektive“.
- dtv Verlag, 15.6.2023
- Übersetzerin: Michaela Kolodziejcok
- Illustratorin: Melanie Korte
- 768 Seiten
- ISBN: 978-3-423-28340-3